Was zeichnet pädagogisch sinnvollen Unterricht aus?
von Silja Schießwohl
Der Reitlehrer sitzt in einer Ecke an der Bande, in der Halle herrscht reges Treiben. Immer wieder hallt die laute Stimme des Lehrers durch die Bahn. Ausführliche Erklärungen, die es bräuchte, um die Reiterei im Kern zu verstehen, haben hier kaum mehr Platz. Es fehlt die Zeit. Somit hört man nur kurze Korrekturen und Anweisungen, das Verständnis für die Sache bleibt auf der Strecke. Leider ist dieser Umstand in vielen Reithallen nach wie vor Realität. Wie können wir das besser machen?
Zeitlich gesehen passt in eine Reitstunde kein umfangreicher Theorieunterricht. Doch noch im letzten Jahrhundert war es normal, zwischen dem Reitunterricht und der „Belehrung“ zu unterscheiden: Bei Ersterem stand das praktische Reiten mit Korrekturen und Anweisungen durch den Reitlehrer im Fokus. Sobald aber merkbar war, dass es an einer gewissen Stelle mehr Hintergrundwissen und Verständnis für die Zusammenhänge vonseiten des Schülers brauchte, wurde auf die separat stattfindende Belehrung verwiesen. Entweder im Rahmen des theoretischen Unterrichts außerhalb der eigentlichen Reitstunde oder als Unterbrechung innerhalb der Reitstunde, wozu gegebenenfalls sogar abgesessen wurde. Wissen und Können gingen hier noch Hand in Hand. Um gesundes, reelles Reiten zu lernen, braucht es also beides: das praktische Können und das theoretische Verständnis der Zusammenhänge. Daher sollte auch der Anspruch an sinnvollen Reitunterricht sein, den Reitschüler auf Wissens- und auf Könnensebene abzuholen.
Lernziele: Hand, Herz und Hirn
In der Erwachsenenpädagogik spricht man gern von Lernzielebenen. Die verschiedenen Lernzielebenen Herz, Hand und Hirn sollten bei der Gestaltung eines jeden Lernarrangements berücksichtigt werden. Die „Hand-Ebene“ zielt auf das Können des Schülers ab, die „Hirn-Ebene“ entsprechend auf das Wissen. Doch auch die „Herz-Ebene“, die die Haltung zur Sache, die die Einstellung und Bereitschaft zum (Um-)Lernen meint, sollte keinesfalls unberücksichtigt bleiben. Wenn ein Reitschüler etwa noch an alten Glaubenssätzen festhält oder sich aufgrund von Vorerfahrungen nicht auf die geforderte Sache einlassen kann, kann mit Herausforderungen im Unterricht gerechnet werden. „Aber ich muss doch Hilfszügel benutzen, sonst läuft das Pferd nicht über den Rücken!“ – Dass Glaubenssätze wie dieser im Weg stehen, könnte also vermieden werden, wenn der Lehrer alle Lernzielebenen von Anfang an im Blick behält und seinen Unterricht entsprechend gestaltet. In der Praxis des Reitunterrichts bedeutet das, dass wir verschiedene Formen der Vermittlung brauchen, um allen Ebenen gerecht zu werden: Das Weitergeben theoretischer Hintergründe erfordert ein anderes Setting als das Üben und Verinnerlichen einer Lektion oder Übungsabfolge auf dem Pferderücken. …
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