Was Menschen erwarten und wie Pferde reagieren
von Martina Kiss
Wie oft sehen wir, wie das Pferd einer Stallkollegin ihr auf einer Weide entgegenkommt, ohne dass sie viel dazu beiträgt, oder wie Reiterkollegen mit ihren Pferden Lektionen erfolgreich erarbeiten – ob am Boden oder im Sattel. Alles sieht so leicht aus, und Pferd und Reiter bilden eine Einheit. Dabei denkt man sich: Warum kann ich das nicht mit meinem Pferd? Oft klaffen hier jedoch Realität und Wunschdenken weit auseinander. Denn die Erwartung, die der Mensch an sein Pferd hat, steht beiden auf dem Weg zur Einheit entgegen.
Angelo*, ein brauner Hannoveraner-Wallach, stand mit fünf Kumpeln auf der Weide. Marianne*, seine Besitzerin, und Gregor*, ihr Freund, kamen jeden Tag nach der Arbeit und jedes Wochenende morgens, um mit Angelo zu arbeiten. Unter „arbeiten“ versteht jeder etwas anderes, aber in Angelos Fall war es seit einem halben Jahr wirklich Arbeit. Marianne und Gregor gingen mit Strick zum Weidetor, öffneten es und gingen auf Angelo zu. Der Wallach stand in der Mitte der Weide und hob kurz den Kopf, um sich gleich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Fressen, zu widmen. Die Ohren waren den beiden Zweibeinern zugewandt und Angelo beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Sein ganzer Körperausdruck schien zu sagen: „Jetzt nicht, ich bin beschäftigt, und ich bin nicht bereit, mitzukommen.“
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Pferde dürfen auch einmal Nein sagen. Ist ja nichts Schlimmes, aber ständig Nein sagen kann zu einem Dauerstress bei den Besitzern führen. Denn dieses „Kopf hoch, Kopf runter und stur weiterfressen“ kannten Marianne und Gregor schon zur Genüge. Was folgte, war ein Spießrutenlauf mit einem Pferd, dessen einzige Beschäftigung darin lag, seine Besitzerin zu ärgern – könnte man meinen. So benahm sich Angelo nämlich. Marianne ging zu ihrem Wallach und wollte den Karabiner des Stricks ins Halfter einhängen und mit Angelo von der Weide zurück zum Hof gehen, damit sie in der Halle reiten konnte. War Angelo gut gelaunt, ging er bis zum Weidetor mit. War Angelo schlecht gelaunt, ließ er Marianne nicht in die Nähe seines Halfters, drehte sich um oder riss den Kopf hoch. Aber warum war er so eigensinnig? Die Lösung lag in Mariannes Verhalten. Durch Angelos ständige Eskapaden (mal ging er mit, mal wollte er nicht) wurde Marianne immer unsicherer und gab diese Unsicherheit an Angelo weiter. …
Lesen Sie mehr zum Thema im Artikel „Erwartung und Resonanz“ in Natural Horse 50 02/2024
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