Über den achtsamen Umgang mit Pferden
Trauma osteopathisch lösen

Trauma osteopathisch lösen

Durch Berührung Potenzial entfalten

von Selina Dörling

Als Pferdebesitzer machen wir alles, um unserem Pferd ein artgerechtes Leben zu ermöglichen. Wir versuchen mit allen möglichen äußeren Faktoren – sei es Fütterung, Haltung, medizinischen und manuellen Therapien oder Training – Symptome, die unsere Pferde zeigen, zu behandeln. Doch sobald ein Symptom auf diesem Weg verschwunden ist, kommt das nächste. Der Körper kreiert eine Spirale von immer wieder neuen, sich zunehmend verschlechternden Symptomen. Ein Teufelskreis von Symptom, Behandlung, Beziehungsverlust beginnt und die Haltung wird zunehmend kompliziert.

Ist es nicht zutiefst menschlich und pferdisch, dass wir als Säugetiere mit unseren ganz individuellen Schwachpunkten auf die Welt kommen? Bedeutet lebendig sein immer nur, ohne Schwachpunkte zu leben? Können wir Potenzial und Lebendigkeit entwickeln, ohne dass der Körper oder die Psyche durch äußere Herausforderungen gestärkt wird? Oder ist eine Schwäche nicht auch dazu da, dass sich Potenzial entwickelt? Das Nervensystem des Säugetiers braucht das Gefühl, sich aus eigener Kraft heraus mit einem Gegenüber entfalten zu können. Die Unterdrückung der selbstständigen Entwicklung führt dazu, dass sich ein Trauma (die Geschichte) im Nervensystem als Schockenergie manifestiert. Der Körper des Pferdes kann nicht im Hier und Jetzt leben. Er versucht, durch immer neue oder wiederkehrende Symptome auf sich aufmerksam zu machen. Symptome von Trauma und Schock, die sich nicht nachhaltig behandeln lassen, sind unter anderem:

• Kotwasser,
• Lungenproblematik,
• Koliken.
Pferde in freier Wildbahn werden nicht nachhaltig traumatisiert. Selbst wenn sie lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt sind, haben sie die Möglichkeit, sich selbst zu regulieren. Die hohe Stressenergie in so einer traumatischen Situation kann durch instinktive Reaktion wie Kampf, Flucht, Zittern oder Schütteln entladen werden und der Körper des Pferdes kommt in seinen natürlich entspannten Zustand zurück.

Was ist eigentlich Trauma?

Ein Trauma ist eine Geschichte, die in der Vergangenheit passiert ist. Wenn etwas zu schnell, zu unerwartet, zu viel auf den Körper trifft, ohne dass dieser angemessen reagie-ren kann, sprechen wir von einem Trauma. Wenn diese Energie nicht direkt entladen werden kann, bleibt sie als Schock energie im Körper zurück. Wir sprechen heute im Zusammenhang mit Trauma oft von Verletzungen auf rein psychologischer Ebene. Ein Trauma findet aus osteopathischer Sicht jedoch auf neurobiologischer Ebene statt. Wir können ein Trauma daher nicht nur psychologisch lösen. Der Körper des Pferdes macht aus einer psychologischen Erfahrung eine biologische. Im Gehirn (limbisches System, präfrontaler Neokortex) werden die gleichen Schmerzrezeptoren aktiviert wie bei einer körperlichen Verletzung. Wir können daher bei der Behandlung eines Pferdes nicht die Psyche, die Emotion und den Körper trennen. Die Schmerzbotenstoffe, die ausgeschüttet werden, überfluten das System. …

Lesen Sie mehr zum Thema im Artikel „Trauma osteopathisch lösen“ in Natural Horse 39 02/2022

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