Heu ist nicht gleich Pferdeheu
von Karen Küfe und Dr. Christina Fritz
In den letzten Jahren nimmt der Trend, Pferde wieder vermehrt mit Heu statt Heulage zu füttern, stetig zu. Diese Entwicklung ist auf jeden Fall positiv zu sehen! Auch die Tatsache, dass immer mehr Ställe sich bemühen, ein durchgehendes Raufutterangebot sicherzustellen, damit die Pferde – die von Natur aus Dauerfresser sind – nicht durch „Heumahlzeiten“ futtergierig oder krank werden, ist ein positiver Trend. Dennoch birgt auch die Heufütterung – insbesondere wenn die Pferde permanent Zugang zum Raufutter haben – ihre Gefahren für die Gesundheit. Denn Heu ist nicht gleich Heu.
Als Pferdebesitzer macht man sich viele Gedanken um seine Lieblinge und deren Unterbringung und Versorgung. Im Idealfall hat man seine Pferde am Haus, mit genügend eigener Fläche für Weide und Heuproduktion für die Winterzeit. In diesem Fall hat man völlige Transparenz über die Zusammensetzung seines Grundfutters. Man kann für Pferde geeignete Gräser auf Wiesen und Weiden ansäen, den Schnittzeitpunkt für die Heuwerbung bestimmen und hat auch die Düngung der Flächen in eigener Verantwortung. Trotzdem bleiben Risikofaktoren bestehen: Zum Beispiel hält sich das Wetter nicht immer an die Vorhersage. Regnet das Heu dann ein oder gibt es kurz vor der Ernte einen Kälteeinbruch, verändern sich schon dramatisch die Nährwerte und gegebenenfalls auch die hygienische Qualität. Außerdem haben jahresbedingte Schwankungen der Witterung Einfluss auf das Wachstum des Grases und somit auch auf das Heu. Man kann also nicht davon ausgehen, dass dieselbe Wiese jedes Jahr dieselbe Heuqualität liefert.
Im zweitbesten Fall hat man seine Pferde zwar am Haus, aber nicht genug Fläche, um selbst zu heuen. Dann muss man beim Heuhändler oder Landwirt seines Vertrauens das Winterfutter kaufen. Auch hier hat man noch relativ große Transparenz, was die Qualität und Sorte angeht. In der Regel kann man auch Proben ziehen und analysieren lassen, sodass man dann eine passende Charge für seine Pferde auswählen kann. Es kann aber auch vorkommen, dass zu häufiges „Rummäkeln“ an der Qualität dazu führt, dass einen bald kein Bauer der Umgebung mehr beliefert. Professionelle Heuhändler sehen Qualitätskontrollen ihrer Ware in der Regel gelassener, da sie einen genügend großen Kundenbestand haben, um auch minderwertige Ware loszuwerden. Allerdings sind hier oft die Preise und auch die Lieferkosten deutlich höher als beim Landwirt nebenan. Hier sollte man die höheren Kosten abwägen gegen die Tierarztkosten, die ansonsten fast immer als langfristige Folge minderer Grundfutterqualität fällig werden.
Am schwersten hat es der Besitzer, der sein Pferd im Pensionsstall eingestellt hat. Hier hat er weder auf die Menge Einfluss und noch weniger auf die Qualität, die gefüttert wird. Häufig genug erfährt man nicht mal die Herkunft des Heus. Stellt der Stallbetreiber sein Futter selbst her, ist die Transparenz manchmal noch gegeben. Man kann sich die Wiesen, von denen das Heu kommt, im Sommer auf ihre Artenvielfalt ansehen. Auch kann man beobachten, bei welcher Witterung geheut wird und dadurch zumindest einige Rückschlüsse auf die Qualität schließen. Wird das Heu aber zugekauft, beginnt das große Rätselraten. Hier helfen definitiv nur Heuanalysen, mit denen man sich aber leider nicht in jedem Stall beliebt macht. Um die Gesundheit seines Pferdes auch langfristig sicherzustellen, ist das Grundfutter aber absolut entscheidend.
Pferdeheu ist kein Kuhheu
Viele Ställe sind aus ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieben mit Milchviehhaltung entstanden. Hier wird das vorher intensiv genutzte Grünland dann meistens einfach umgenutzt. Für die Fütterung von Hochleistungskühen braucht man aber Hochleistungsgräser. Dies sind in der Regel schnell wachsende, stressresistente und stark zucker- und eiweißhaltige Zuchtgräser. Diese bilden schnell viel Masse für einen maximalen Ertrag. In der Milchviehlandwirtschaft werden dann auch bis zu fünf Schnitte jährlich geerntet für Silageherstellung. Bei diesen Masse bildenden, nicht sehr in die Höhe wachsenden Gräsern besteht die Gefahr, dass sich schon in der Wachstumsphase am Pflanzenstängel Pilze ansiedeln, die auch im Heu später noch vorhanden sind. Lässt man solche Gräser überständig werden, wie für ein gutes Pferdeheu notwendig, wird es oft problematisch. Der Schimmelbesatz sorgt für verdorbenes Heu schon bei der Ernte – auch wenn das Heu trocken eingebracht wird! – und kann bei Verfütterung zu erheblichen Gesundheitsproblemen bei den Pferden führen. Diese reichen von Husten durch den Schimmelsporenstaub über Leberprobleme durch enthaltene Mykotoxine bis zu Störungen der Darmflora, da Schimmelpilze häufig auch antibiotisch wirkende Substanzen produzieren.
Hochleistungs-Zuchtgräser enthalten neben erhöhten Gehalten an Fruktan und Endophyten auch sehr viel Zucker und gleichzeitig wenig Rohfaser. Sie sind also selbst bei hygienisch einwandfreier Qualität für Pferde nicht geeignet, da diese von Natur aus auf energiearme, rohfaserreiche Pflanzennahrung angepasst sind. Solches Heu kann bei Pferden langfristig zu gesundheitlichen Problemen von diffusen „Befindlichkeitsstörungen“ bis zu ernsthaften Erkrankungen führen. Nicht ohne Grund haben heute so viele Pferdebesitzer bei ihrem Liebling mit Lympheinlagerungen, Hufrehe oder Kotwasser zu kämpfen.
Kauft der Stallbetreiber sein Heu zu, ist dies sehr häufig ebenfalls von intensiv bewirtschaftetem Grünland und nicht immer für die Pferdefütterung geeignet. Insbesondere Pflanzenzusammensetzung und Nährwerte spielen hier eine große Rolle. Heu aus Hochleistungsgräsern enthält oft genug über 16 % Zucker, Werte um 20–30 % sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Und das bei Empfehlungen für Zuckergehalte für gesunde Pferde < 10 % beziehungsweise bei Pferden mit Übergewicht oder Insulinresistenz < 6 %. Heu mit solchen Werten ist auf dem Heumarkt heutzutage kaum zu bekommen. Der hohe Anteil an Pferden mit Insulinresistenz und/oder Verfettung (EMS) in unseren Ställen spricht Bände.
Auch hohe Rohproteingehalte sind problematisch, da im Überschuss aufgenommenes Protein zu größeren Teilen in den Dickdarm eingetragen wird und hier den natürlichen Fermentierungsprozess stören kann. Häufig riecht der Kot dieser Pferde dann auch beißend durch den mikrobiellen Proteinabbau im Dickdarm. Wird darüber hinaus das aufgenommene Protein nicht adäquat vom Körper verwendet, muss es abgebaut und als Harnstoff über die Nieren wieder ausgeschieden werden. Ein Proteinüberschuss stellt damit also eine erhebliche Stoffwechselbelastung dar und sorgt in den Ställen für vermehrte Ammoniakbelastungen.
Welches Heu ist für Pferde gut geeignet?
Pferdeheu sollte artenreich sein mit einem hohen Rohfaseranteil und von allerbester hygienischer Qualität bei gleichzeitig moderatem Nährstoffgehalt. Nichts schwerer als das …
Für Artenvielfalt muss eine ganz spezielle, auf die jeweiligen ökologischen Bedingungen angepasste Pflanzenzusammensetzung gegeben sein. Es reicht nicht, „Pferdewiese“ auszusähen, wenn die enthaltenen Pflanzen sich an dem Standort aufgrund von Klima, Boden, vorhandenem Bewuchs oder Nutzung nicht durchsetzen können. Artenreiche Wiesen zu erreichen ist nicht auf allen Standorten möglich. Es ist abhängig von Bodenbegebenheiten, Bodenleben, Witterungseinflüssen, Düngung und nicht zuletzt von der Wiesenpflege und Nutzung. Das Etablieren von Kräutern auf Heuwiesen gestaltet sich noch schwieriger, da gewisse Gräser-/Pflanzengemeinschaften dies verhindern und gleichzeitig durch intensives Mähen Kräuter auch sehr schnell wieder verschwinden. Da die meisten Kräuter nur einjährig sind, müssen sie ausreichend Zeit haben zu versamen, um im nächsten Jahr noch vorhanden zu sein. Das ist bei einigen Kräutern nur möglich, wenn man erst Mitte oder Ende Juli mäht, was wiederum bedeutet, dass man in der Regel nur einen Schnitt von der Wiese machen kann statt zwei.
Von der Hochleistungswiese zur Pferdeheuwiese
Um von einer „normalen“ Hochleistungswiese zu einer pferdegerechten Heuwiese mit artenreichem Bewuchs zu gelangen, ist jahrelange Arbeit bei ständiger Pflege und gegebenenfalls Nachsaat notwendig. Schließlich dauert es erfahrungsgemäß etwa fünf Jahre, bis eine Wiesengesellschaft stabil ist. Wenn dann noch das Wetter mitspielt, kann man von einer solchen Wiese ein sehr gutes Pferdeheu gewinnen.
Um den geforderten Rohfasergehalt zu erreichen, muss das Gras wesentlich länger wachsen. Pferdeheu wird frühestens in der Blüte, eher nach der Blüte geschnitten. Der genaue Zeitpunkt verschiebt sich von Jahr zu Jahr mit dem Klimaverlauf. Lässt man das Gras so lange wachsen, erntet man maximal zwei Schnitte pro Jahr von einer Fläche, was für viele Landwirte – gerade mit kleinen Flächen – wirtschaftlich unrentabel ist. Um den für die Lagerfähigkeit erforderlichen Wert von maximal 14 % Restfeuchte zu erlangen, muss das Heu dann wenigstens vier, je nach Klima und Witterung teilweise auch sechs bis sieben Tage trocknen. Schon geringe Schwankungen im Restfeuchtebereich entscheiden über den Verderb des Trockenguts.
Die Wiesendüngung sollte dem Bedarf angepasst werden. Im Labor ausgewertete Bodenproben ergeben den optimalen Düngungsbedarf. Hier muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Empfehlungen der meisten Labore sich in der Regel auf Ertragsmaximierung von Hochleistungswiesen beziehen und nicht auf extensive Bewirtschaftung von Pferdeheuwiesen. Eine Grünlanddüngung mit Gülle oder Pferdemist ist aus hygienischen Gründen sehr fragwürdig, außerdem kann nicht gezielt nach Entzug gedüngt werden.
Von gesunder Schnitthöhe zu Heuhygiene
Auch die Schnitthöhe und der Umgang mit dem geschnittenen Gras haben Auswirkungen auf die Hygiene und die Nährwerte des Heus. Werden die Halme zu tief abgeschnitten, besteht die Gefahr der Verunreinigung mit Sand und Erde. Denselben Effekt sieht man, wenn Wender oder Schwader falsch eingestellt sind. Sie reißen dann die Grasnarbe auf und sorgen für Verunreinigungen. Das führt zu staubigem Heu und erhöht damit das Risiko für Atemwegsprobleme („Heustauballergie“). Außerdem sorgt es für den Eintrag von Schmutzkeimen wie Clostridien, die teilweise stark gesundheitsgefährdend beim Pferd sein können. Ein höherer Schnitt sorgt außerdem für eine bessere Belüftung des Mähguts von unten und damit einen schnelleren Trocknungsprozess. Gerade bei spät geschnittenem Heu ist außerdem darauf zu achten, dass im unteren Bereich der Pflanzen häufig schon Schimmel das Gras befallen hat und man diesen bei zu tief eingestelltem Mähwerk mit in das Heu einträgt. Je höher gemäht wird, desto geringer ist allerdings der Ertrag aus einer Wiese. Hier spielen bei vielen Landwirten wieder wirtschaftliche Faktoren eine Rolle.
Die Schnitthöhe hat außerdem – ebenso wie die Pflanzenzusammensetzung und die Wetterbedingungen bei der Ernte – einen wesentlichen Einfluss auf die Nährwerte des Heus. Schon 5 cm tiefer abgeschnittenes Heu weist ganz andere Werte auf als Heu derselben Wiese und Ernte, das höher geschnitten wurde. Als Faustregel gilt: je höher, desto magerer. Beeinflusst werden die Nährwerte außerdem – wie auch die Hygiene –von der Art und Weise des Wendens und Schwadens. Wird zu oft oder falsch gewendet, brechen die wertvollen Blätter und Blüten ab und die Samen fallen heraus. Diese sogenannten Bröckelverluste enthalten einen großen Teil der Nährstoffe und bleiben in dem Fall auf der Mähfläche liegen. Daher ist das Mähgut immer so zu behandeln, dass Bröckelverluste möglichst vermieden werden. Also je trockener das Mähgut, desto vorsichtiger muss die Verarbeitung erfolgen.
Laboranalysen statt Sichtkontrolle
Viele Pferdebesitzer oder auch Stallbetreiber sehen sich das Heu an, und wenn es schön stängelig ist, dann muss es ja gut und mager sein. Häufig ist die Überraschung sehr groß, wenn man dieses Heu tatsächlich mal genauer analysiert. Das optisch „magere Pferdeheu“ hat plötzlich 18 % Zuckergehalt und erheblichen Schimmelbefall – bei Heu von Hochleistungswiesen keine Seltenheit.
Um sich einen realistischen Überblick über Qualität und Nährwerte seines Heus zu verschaffen, sollte man Proben in darauf spezialisierten Laboren analysieren lassen. Klassischerweise wird hier ein festes Paket von Inhaltsstoffen bestimmt, dazu gehören zum Beispiel Rohprotein, präcecal (im Dünndarm) verdauliches Protein, Rohfett, Rohfaser und Rohasche sowie der Energiegehalt, und man sollte bei Pferdeheu auch unbedingt Zucker und – bei Verdacht auf Hochleistungsgräser im Heu – Fruktan zusätzlich mitbestimmen lassen. Eine mikrobiologische Analyse gibt Auskunft über Gehalte an Schimmelpilzen, Hefen und Bakterien, die Verderb anzeigen. Insbesondere wenn man bereits Pferde mit empfindlichen Atemwegen oder Stoffwechselproblemen im Bestand hat, sollte man sich diese Hygienekriterien genauer ansehen. Seltener benötigt wird die botanische Analyse. Sie ist vor allem interessant für alle, die ihr Heu von eigenen Flächen gewinnen, um einen Überblick über die Pflanzengesellschaft zu bekommen und damit die langfristige Eignung als Pferdeheuwiese.
Ein einzelner Ballen – insbesondere wenn das Heu ballenweise immer von anderen Lieferanten kommt – ist natürlich wenig aussagekräftig. Nimmt man aber Sammelproben von mehreren Ballen einer Heucharge, bekommt man einen guten Eindruck von der Qualität und Eignung für die Verfütterung an Pferde. Das hilft nicht nur, die Grundfutterversorgung von den eigenen Heuwiesen zu optimieren, sondern kann auch bei zugekauftem Heu ein wichtiges Entscheidungskriterium sein, welche Charge eines Landwirts man komplett nimmt und welche eher nicht.
Karen Küfe
Karen und Harald Küfe bewirtschaften seit knapp 30 Jahren den landwirtschaftlichen und Pferdebetrieb „Osterheidehof“ im Herzen von Niedersachsen. Harald Küfe ist gelernter Landwirt und Karen Küfe hat sich nach ihrer pädagogischen Ausbildung dem „Therapeutischen Reiten“ verschrieben. Heute therapiert sie nach weiteren Ausbildungen in ihrem Stall vor allem Pferde mit Verletzungen und Stoffwechselproblemen.
Dr. Christina Fritz
Sie studierte Biologie mit anschließender Promotion. Nach vielen Aus- und Weiterbildungen im alternativtherapeutischen Bereich führt sie seit über zehn Jahren eine Praxis für integrierte Pferdetherapie. Darüber hinaus hält sie Vorträge und Fortbildungen über artgerechte Pferdefütterung und -haltung. Die engagierte Biologin hat die Bücher „Pferde fit füttern“ und „Zivilisationskrankheiten beim Pferd“ geschrieben.
Mehr Artikel rund um die Pferdefütterung finden Sie in der neuen Ausgabe von Natural Horse Spezial Pferdefütterung