Entgiften, Entsäuern, Ausleiten und Zivilisationserkrankungen entgegenwirken
von Dr. Christina Fritz (www.sanoanimal.de)
Entgiftungskuren gelten mittlerweile praktisch als Allheilmittel bei diversen Gesundheitsproblemen, und das nicht nur beim Menschen, sondern auch beim Pferd. In den Ställen machen die verschiedensten „Rezepte“ die Runde, ebenso wie Gesundheitsversprechen von verbesserter Rittigkeit bis Schluss mit dem Ekzem. Bevor man aber sein Pferd einer solchen Kur unterzieht, sollte man zunächst erst mal wissen, worum es eigentlich geht. Sonst richtet eine gut gemeinte Ausleitungskur auch schnell mal Schaden an, wenn sie zur falschen Zeit oder mit den falschen Mitteln durchgeführt wird.
Dazu muss man zunächst mal klarstellen, dass ein gesunder Organismus sich von ganz allein entgiftet, ohne dass man ihm von außen dabei helfen muss. Ständig fallen im Stoffwechsel „Abfallprodukte“ an, die entsorgt werden müssen. Von abgebauten Hormonen bis zu defektem Hämoglobin ist der Körper damit beschäftigt, solche nicht mehr benötigten Stoffe so umzuwandeln, dass sie anschließend ausgeschieden werden können. Daran beteiligt sind verschiedene Organe und biochemische Abläufe, die komplex ineinandergreifen. Dazu gehören:
- Das Immunsystem, das körperfremde Substanzen erkennt und markiert, sodass nachgeschaltete Systeme diese entsorgen können.
- Die Leber, das große „Chemielabor“ des Körpers, die Stoffe umbaut und damit ausscheidbar macht oder „entschärft“.
- Die Nieren als „Entsorger“ sogenannter „harnpflichtiger“ wasserlöslicher Substanzen, während gasförmige Abfallstoffe wie zum Beispiel CO2 über die Lungen abgeatmet werden oder fettlösliche Abfälle teilweise über die Gallenflüssigkeit oder die Talgdrüsen der Haut ausgeschieden werden.
Alle diese Organe und Systeme greifen normalerweise reibungslos ineinander und schützen den Körper davor, dass sich Abfallstoffe oder Giftstoffe im Körper ansammeln und ihm damit schaden. Aber nicht immer arbeitet der Entgiftungsstoffwechsel so, wie er sollte. So ist beispielsweise die Belastung mit chemischen Substanzen seit dem Beginn der Industrialisierung stetig gestiegen. Das Bundesumweltamt geht davon aus, dass ein Großstadtbewohner heute jeden Tag mit durchschnittlich 70 000–80 000 verschiedenen chemischen Substanzen in Kontakt kommt. Das klingt zunächst viel. Aber wenn man mal anfängt, morgens im Bad alle Deklarationen auf allen Reinigungs- und Pflegeprodukten zu lesen und dann am Frühstückstisch mit den Lebensmittelzusammensetzungen weitermacht … Am Ende des Tages wirkt die Zahl dann doch nicht mehr so groß. Dazu kommen viele Substanzen, die gar nicht deklariert werden müssen – sei es in Lebensmitteln aufgrund der „Carry over“-Leitlinien bei der Verwendung von fertigen Vormischungen oder sei es auf Textilien, die für bessere Pflegbarkeit, Farberhalt oder gegen Geruchsbildung chemisch behandelt sind.
Äußere Belastungen für den Stoffwechsel nehmen zu
Auch unsere Pferde sind immer häufiger solchen Zusatzbelastungen ausgesetzt. Das beginnt mit den Pflegemitteln für Pferd und Ausrüstung: Shampoo, Mähnenspray, Anti-Fliegen-Spray, Huffett, Sattelseife, Gerb- und Farbstoffe von Lederwaren, Waschmittel oder chemische Appreturen in Textilien wie Schabracke oder Thermodecke. Einige Sattelschränke können der Pflegemittelabteilung jedes Reitsportgeschäfts Konkurrenz machen. Viele dieser Stoffe können auch über die Haut aufgenommen werden und müssen dann ebenfalls über die Entgiftungssysteme entsorgt werden.
Dazu kommt der nicht unerhebliche Eintrag über Futtermittel: Kaum ein konventionelles Stroh heute, das nicht Rückstände von Halmverkürzern oder Herbiziden aufweist, teilweise findet man auch solche Belastungen im Heu, wenn die Wiese beispielsweise direkt neben einem Getreidefeld liegt. Konservierungsmittel und Farbstoffe finden in Krippenfuttern verbreitet Einsatz, selbst reines Getreide wird heute häufig mit Fungiziden behandelt, um es besser lagerfähig zu machen. Dazu knabbert das Pferd dann beim Putzen am Anbindebalken, der mit Holzschutzmittel imprägniert ist, erwischt immer mal Jakobskreuzkraut im Heu und die Karotten, die es nach dem Reiten als Belohnung gibt, sind häufig stark nitrathaltig. Geht man konsequent mal den Alltag eines normalen Reitpferdes durch, dann stellt man fest, dass auch unsere Vierbeiner längst nicht mehr so „naturbelassen“ leben, wie man auf den ersten Blick denken würde.
Eine zusätzliche Belastung für den Organismus ist die Tatsache, dass unsere Hauspferde sich häufig nicht mehr aus der Apotheke der Natur selbst mit passenden Kräutern und ihren natürlichen Wirkstoffen versorgen können. Unsere Wiesen haben in den letzten 50 Jahren eine erschreckende Artenverarmung durchlaufen. Noch dazu kann das Pferd nicht einfach 20 Kilometer weitergehen, um sich die passenden Pflanzen zu suchen, da der Mensch dort einen Zaun gezogen hat.
Falsche oder hygienisch fragwürdige Futtermittel
Ist das Heu dann auch noch hygienisch nicht einwandfrei, so werden zusätzlich Mykotoxine aufgenommen, die dann wieder über die Entgiftungssysteme entsorgt werden müssen. Schimmelpilze produzieren außerdem antibiotisch wirkende Substanzen, die nicht nur die Entgiftung belasten, sondern auch stark störend auf die Fermentation im Dickdarm wirken können. Dieser fein balancierte Prozess wird ebenfalls gestört durch die Fütterung von silierten Produkten, da diese sehr viele Milchsäurebakterien – und je nach Qualität der Heulage auch noch viele andere Mikroorganismen – in den Verdauungstrakt eintragen. Diese sind aber in solchem Maß nicht Teil der natürlichen Darmflora des Pferdes.
Können kleine Mengen Milchsäurebakterien im Dickdarm noch toleriert werden, so führen große Mengen dazu, dass es zu einer Ansäuerung des Dickdarms kommt, was zu weiteren Fehlgärungen mit entsprechend Abfallprodukten führt. Ein Nebeneffekt davon sind weitreichende Darmschleimhautentzündungen, die dem Organismus nicht nur Schwefel entziehen, sondern gleichzeitig zu einer erheblichen Überlastung des Immunsystems führen. Da das Immunsystem aber wiederum Teil des Entgiftungssystems ist, können hier entsprechend Störungen auftreten. Auch die Fütterung von bierhefehaltigen Futtermitteln kann zu Fehlgärungsprozessen im Dickdarm führen, da sich lebende Bierhefe im Dickdarm ansiedeln kann und dort zu einer alkoholischen Gärung führt – eine Belastung des Leberstoffwechsels. Außerdem fördert Bierhefe im Dickdarm wiederum die Ansiedlung von Milchsäurebakterien.
Großzügige Fütterung von Kraftfuttern belastet den Leberstoffwechsel mit Zucker, Eiweiß und Fett. Denn alle diese Nährstoffe müssen – wenn sie im Übermaß gefüttert werden – in der Leber ab- oder umgebaut werden, damit sie für den Körper nicht schädlich sind. Darüber hinaus sorgt eine solche Fütterung auch für einen verstärkten Fermentierungsprozess im Magen. Die daraus resultierende erhöhte Zahl von Milchsäurebakterien wird in den Dickdarm mit eingeschleppt, und das wiederum führt zu Dickdarmübersäuerung und Fehlgärungen. Ebenso die Fütterung von Fasern, die unerwünschte Mikroorganismen ernähren wie Pektine (zum Beispiel aus Rübenschnitzeln, Apfeltrester, jungem Weidegras beziehungsweise Heu vom zweiten oder dritten Schnitt) oder Inulin. Fehlgärungen im Dickdarm erreicht man auch durch die Fütterung kurz gehäckselter Raufuttersorten, wie sie als „Strukturanteil“ in vielen Freizeit- und getreidefreien Futtermitteln verwendet werden. Auch nicht Dünndarm-verdauliche Stärkevarianten wie die Stachyose aus der Sojabohne sorgen für Fehlgärungsprozesse im Dickdarm.
Egal was die Ursache ist – läuft der Fermentierungsprozess im Dickdarm nicht mehr normal ab, sondern als Fehlgärung mit unerwünschten Keimen, dann werden Abfallstoffe dieser Fehlgärungen vom Organismus aufgenommen und müssen über die Entgiftungssysteme wieder entsorgt werden. Eine Ansäuerung des Dickdarms sorgt darüber hinaus dafür, dass die natürliche Darmflora, die sehr pH-sensitiv ist, in großem Maß abstirbt und deren Inhaltsstoffe (sogenannte Endotoxine) freisetzt. Diese werden aufgenommen und sind unter anderem bekannt dafür, Hufrehe auszulösen. Der Körper muss sie also so schnell wie möglich abbauen und entsorgen – wieder eine Belastung mehr.
Man sieht also schon: Bevor man ständig Entgiftungskuren macht, sollte man zuerst mal schauen, woher die Belastungen stammen. Schafft man es, wenigstens einige der zusätzlichen Belastungsquellen zu eliminieren, ist dem Organismus wesentlich besser geholfen, als wenn man in kurzen Zeitabständen die Ausleitung anregt. Daher ist eine gesunde Fütterung, zusammen mit einer artgerechten Haltung, immer auch Teil eines gesunden Stoffwechsels.
Mangelnde Entgiftung – Risiko mit Zeitverzögerung
Eine mangelnde Entgiftung oder eine Überlastung des Organismus sieht man einem Pferd in aller Regel nicht sofort an. Es ist bei einem gesunden Pferd nicht so, dass es ein bisschen schimmeliges Heu frisst und sofort mit hochgradigen Koliken, Hufrehe oder Ähnlichem reagiert. Im Lauf der Evolution haben sich Pferde durchgesetzt, die auch stoffwechselbelastende Zeiten über gewisse Zeiträume kompensieren konnten. Einer dieser Mechanismen besteht darin, Abfallstoffe „einzulagern“. Schon lange ist bekannt, dass der Körper fettlösliche Abfälle, die nicht ausreichend schnell abgebaut und entsorgt werden können, im Fettgewebe einlagert. Das ist einer der Gründe, warum man eine Gewichtsreduktionsdiät auch immer mit einer Unterstützung der Entgiftung kombinieren sollte. Denn wird das Fett im Rahmen der Diät abgebaut, werden auch die eingelagerten Toxine frei und belasten die Leber, zusätzlich zum Fettabbau.
Wasserlösliche Abfallstoffe können ebenfalls eingelagert werden. Hierfür nutzt der Körper Strukturen, die überwiegend aus Bindegewebe bestehen, wie Faszien, Bindegewebs- oder Sehnenplatten, Sehnen und Bänder, die in Folge häufig anschwellen. Gerade ein Übermaß an Zucker durch stärkereiche Mahlzeiten ist fatal. Denn das Pferd kann die aufgenommene Energie in unseren Haltungs- und Trainingsbedingungen meist gar nicht ausreichend in Bewegung umsetzen. Ein unsauberer Abbau ist die Folge, der zu Einlagerung im Bindegewebe führt mit nachfolgendem Lymphrückhalt. Ein „dickes“ – eigentlich übersäuertes – Pferd mit Pölsterchen an Halskamm und Flanken ist die unschöne Folge. Damit stellt auch das Bindegewebe einen wichtigen Puffer für einen überlasteten Organismus dar. Mobilisiert man diese Einlagerungen zum Beispiel durch Lymphdränage, steht der Körper vor demselben Problem wie bei der Fettreduktion: Die Abfallstoffe werden plötzlich mobilisiert und belasten den Entgiftungsstoffwechsel. Daher sollte man vor solchen Behandlungen immer zunächst sicherstellen, dass die Aufnahme von zusätzlichen Toxinen reduziert wird und dass die Entgiftungssysteme auch ordnungsgemäß arbeiten können. Dann kann auch eine Lymphdränage eine gute Unterstützung sein.
Der Fellwechsel „kehrt das Unterste zuoberst“
Die Überlastung des Entgiftungshaushalts wird dann häufig im Fellwechsel sichtbar. Warum ist das so? Zunächst einmal sind Frühjahr und Herbst oft die Zeiten, wo noch zusätzliche Belastungen auf den Organismus treffen. Es ist in den meisten Ställen üblich, dass im Frühjahr und Herbst die „prophylaktische“ Wurmkur verabreicht wird. Auch Medikamente müssen über die Entgiftungssysteme laufen, stellen also eine Belastung dar. Bei der Gelegenheit wird oft gleich die Impfung mit dazugegeben, wo doch der Tierarzt schon mal im Stall ist … Dazu kommt die Futterumstellung: Im Frühjahr der Beginn der Weidesaison, was immer eine erhebliche Stresssituation für den Fermentierungsprozess im Dickdarm darstellt, und im Herbst umgekehrt das Schließen der Weiden und die meist recht radikale Umstellung auf reine Heufütterung. Jede Störung der Fermentierung ist aber auch immer eine Belastung für die Leber. Und nicht zuletzt ist der Fellwechsel selbst eine starke Belastung für Leber und Nieren: Der gesamte Eiweißstoffwechsel wird einmal komplett umgebaut, und für die Bildung der neuen Haarstrukturen werden dem Stoffwechsel auch wichtige Spurenelemente wie Zink oder Schwefel entzogen. Diese können dann an anderer Stelle fehlen, zum Beispiel beim Entgiftungsprozess. Der beim Fellwechsel in erhöhtem Maß anfallenden Harnstoff muss darüber hinaus über die Nieren entsorgt werden, was diese zusätzlich belastet.
Bei einem gesunden Pferd stellt der Fellwechsel kein Problem dar, er ist lediglich eine kurze Spitzenbelastung, die der Organismus – aufgrund seiner Pufferkapazitäten für belastende Zeiten – problemlos kompensieren kann. Ist aber ein Stoffwechsel schon lange gestört und die Puffersysteme bis an die Grenze ihrer Kapazität ausgereizt, so führen solche Spitzenbelastungen häufig dazu, dass das System „kippt“. Das ist der Moment, wo man als Besitzer dann die Belastung auch plötzlich symptomatisch sieht: als Hufrehe, Ekzem, Infektanfälligkeit, Fäulnisprozesse im Hufbereich, schlechter oder verlangsamter Fellwechsel, mangelnde Haar- oder Hufqualität, Leistungseinbruch bis zu Depressionen und viele andere, häufig „diffuse“ Symptome.
Eine Entgiftungskur bringt hier oft kurzzeitig Linderung. Aber spätestens mit dem nächsten Fellwechsel stehen dieselben Probleme wieder ins Haus. Und von Jahr zu Jahr wird es oft schlimmer oder es treten zusätzliche Symptome in Erscheinung. Aus diesem Grund verwendet die Naturheilkunde häufig auch das Bild vom Körper als einem Fass. Normalerweise sollte sich das, was in das Fass hineinkommt, mit dem die Waage halten, was wieder abläuft. Bei zusätzlicher Belastung kann das Fass auch zwischenzeitlich mal mehr aufnehmen – so wie Fett- und Bindegewebe auch als Puffer dienen. Problematisch wird es, wenn ständig zu viel in das Fass hineingelangt und/oder zu wenig abfließen kann. Dann kommt der Punkt, wo eine relativ kleine Zusatzbelastung schon ausreicht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Das kann die Wurmkur sein, die das Pferd doch all die Jahre immer gut vertragen hat, der Stress durch ein neues Herdenmitglied oder eben auch der Fellwechsel.
Nach möglichen Belastungen schauen und diese so weit es geht reduzieren, sollte also immer der erste Schritt sein, wenn es um Entgiftung geht. Damit wird das Fass schon mal weniger „gefüllt“. Dann geht es im zweiten Schritt darum, gezielt die Entgiftungskaskade in der Leber und die Ausscheidung durch die Nieren zu unterstützen, damit die Toxine in ausreichendem Maß abgebaut und auch entsorgt werden können. Das Fass soll also wieder etwas leerer gemacht werden, damit sich Zulauf und Ablauf die Waage halten und genügend Puffer für kurzzeitige Sonderbelastungen zur Verfügung steht.
Biotransformation – der Entgiftungsjob der Leber
Jeder weiß, dass die Leber unter anderem ein Entgiftungsorgan ist. Aber nur die wenigsten beschäftigen sich wirklich mit dem eigentlichen Entgiftungsprozess, der Biotransformation. Dabei handelt es sich um hochkomplexe biochemische Abläufe, durch die die giftig wirkenden Substanzen geschleust werden mit zwei Zielen: sie unschädlich und sie ausscheidbar zu machen. Die dabei entstehenden Endprodukte werden dann über den Blutstrom den Nieren zugeführt oder über die Gallenflüssigkeit und den Darm ausgeschieden. Dieser Prozess findet vor allem im Endoplasmatischen Retikulum (=ein verzweigtes Kanalsystem flächiger Hohlräume, das von Membranen umhüllt ist) der Leberzellen statt, an deren Membranen die an der Entgiftung mitbeteiligten Cytochrom-P450-Enzyme gebunden sind.
Der Biotransformationsprozess verläuft dann in zwei Phasen. In der ersten Phase wird an das identifizierte, zu entsorgende Molekül eine funktionelle Gruppe angehängt. Solche Gruppen sind in der Chemie vergleichbar mit der Anhängerkupplung am Auto: Nur wenn ich eine Kupplung habe, kann ich auch einen Hänger ziehen. Ohne die Kupplung habe ich vielleicht ein Auto und einen Hänger, aber ich kann sie nicht miteinander verbinden. Diese Verbindungsfunktion übernehmen in der Chemie solche „funktionellen Gruppen“. Damit ist die Phase 1 abgeschlossen und das Molekül ist jetzt reaktionsbereit für die Phase 2. In dieser zweiten Phase wird jetzt an die funktionelle Gruppe ein weiteres Molekül oder eine weitere Gruppe angehängt, was dafür sorgt, dass beides wasserlöslicher und damit auch ausscheidbar wird. In der Regel ist nach diesem Prozess auch das Ausgangsmolekül unschädlich gemacht, also „entgiftet“. Entgiftung ist also noch nicht Ausscheidung: Das ist der Prozess, der nach der Arbeit der Leber dann kommt. Aus diesem Grund muss man bei einer „Entgiftungskur“ auch immer beides unterstützen: Biotransformation und Ausscheidung.
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Medikamente im Leberstoffwechsel
Auch alle Medikamente durchlaufen diesen Prozess der Biotransformation. Eine große Herausforderung für die Pharmaindustrie ist es daher, die Wirkstoffe so zu verabreichen, dass sie nach der Biotransformation („First-Pass-Effekt“) noch aktiv sind beziehungsweise dadurch aktiviert werden, aber dennoch irgendwann abgebaut und ausgeschieden werden können. Das erklärt auch, warum viele Pferde, bei denen die Entgiftung gestört ist, nicht wie andere auf die Gabe von Medikamenten reagieren. Es kann passieren, dass diese durch eine fehlerhaft ablaufende Biotransformation gar nicht erst aktiviert werden und damit nicht wirken (sogenannte „Non-Responder“). Oder es kann zu einem mangelnden Abbau kommen und damit Akkumulation im Körper, was dann bei einer wiederholten Gabe Vergiftungserscheinungen („Medikamentenallergie“) auslösen kann.
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Bei einem gesunden Organismus läuft die Biotransformation ständig ab, sodass alle anfallenden körpereigenen Giftstoffe ebenso wie aufgenommene Toxine abgebaut und damit ausscheidbar gemacht werden können. Die Nieren kommen dann auch ständig ihrer Filterfunktion hinterher und scheiden die von der Leber umgebauten Stoffe über den Urin aus, während ein kleinerer Teil über den Galleweg entsorgt wird. Problematisch wird es für den Organismus dann, wenn entweder zu viele Abfallstoffe anfallen, um noch ausreichend abgebaut zu werden, oder wenn der Abbau nicht mehr optimal arbeitet.
Wenn die Entgiftung nicht mehr läuft …
Zu viele Toxine werden aufgenommen, wenn das Pferd über längere Zeiträume verdorbenes, zum Beispiel schimmeliges Futter bekommt. Die hygienische Qualität des Raufutters ist in vielen Ställen mehr als fragwürdig, sowohl bei Heu als auch bei Heulage oder „eingewickeltem Heu“, das derzeit in Mode kommt. Aber auch ein Zuviel an Eiweiß wird vom Körper wie Toxin behandelt. Unter Reitern hält sich hartnäckig das Gerücht, dass man Pferden mit proteinreichem Futter Muskeln „hinfüttern“ könnte. Das sorgt dafür, dass solchen Pferden dann gern besonders eiweißreiche Futtermittel verabreicht werden. Nun ist es aber so, dass schon das im Heu enthaltene Eiweiß in den meisten Fällen weit über dem liegt, was das Pferd tatsächlich für seinen Erhaltungsbedarf und den geringen Grad an Muskelaufbau durch Trainingssteigerung benötigt. Denn nur wenn man die Leistungsanforderung steigert, wird auch mehr Muskelmasse aufgebaut. Hält man sie in etwa gleich, dann spricht man hier wieder von Erhaltungsbedarf – und der ist für Eiweiß bei Pferden erstaunlich gering und wird mehr als gedeckt vom Eiweiß im Raufutter. Füttert man jetzt zu viel Eiweiß, so müssen die darin enthaltenen Aminosäuren abgebaut werden – das heißt, sie laufen über die Biotransformation, um anschließend über den Urin ausgeschieden zu werden. Eine Eiweißfütterung über den Bedarf hinaus ist also immer eine erhebliche Belastung der Entgiftungssysteme.
Viel problematischer als die zu hohe Aufnahme von im Körper giftig wirkenden Substanzen ist in unseren Breitengraden jedoch die Tatsache, dass die meisten Pferde offenbar eine gestörte Biotransformation haben, eine Störung, die auch unter dem Namen Kryptopyrrolurie (KPU) bekannt ist. Betroffene Pferde können Abfallstoffe nicht mehr in ausreichendem Maß umwandeln, und so kann schon die „normale“ Belastung dazu führen, dass die Pferde schleichend Vergiftungserscheinungen entwickeln. Das sind dann oft die Kandidaten, die bei zusätzlichen Belastungen wie Fellwechsel, Stress oder schlechter Futterhygiene plötzlich gesundheitlich auffällig werden. In der Regel zeigen sie schon seit Monaten oder Jahren sogenannte „Frühmarker“ für Stoffwechselprobleme, ohne dass es bis dato zu einem manifesten Krankheitsbild kam. Zeigt das Pferd dann aber eine Hufrehe oder ein Nesselfieber oder ein Sommerekzem, ist es eigentlich schon „zu spät“ – das sichtbare Symptom ist ein Zeichen dafür, dass der Stoffwechsel jegliche Kompensationsmöglichkeiten erschöpft hat und nicht mehr in der Lage ist, den Status quo aufrechtzuerhalten.
Im Darm liegt die Kraft
Die meisten dieser Pferde haben – oft schon seit Jahren – ein gestörtes Dickdarmmilieu, eine Dysbiose, meist verursacht durch unpassende Futtermittel, wie oben beschrieben. Die Dysbiose sorgt nicht nur dafür, dass Toxine aus den Fehlgärungen im Darm über die Darmschleimhaut aufgenommen werden und über die Biotransformation der Leber wieder entsorgt werden müssen, sondern auch für eine gestörte Biotransformation an sich. Denn die Darmflora stellt dem Pferd neben Energieträgern aus Cellulose auch wichtige andere Nährstoffe zur Verfügung, die teilweise als Kofaktoren in enzymatischen Reaktionen benötigt werden. Geht der Anteil solcher Kofaktoren zurück, dann können die Reaktionen nicht mehr in ausreichendem Maß ablaufen und es kommt zu Störungen der Stoffwechselabläufe.
Einer dieser Kofaktoren ist eine aktivierte Variante von Vitamin B6. Es wird benötigt, um die Phase 2 der Biotransformation ablaufen zu lassen. Beim gesunden Pferd wird es im Übermaß von der Darmflora synthetisiert, sodass hier kein Mangel besteht und die Leber immer normal entgiften kann. Besteht aber eine Dysbiose, so folgt daraus in den meisten Fällen ein Mangel an aktiviertem Vitamin B6, was zu einer reduzierten Biotransformation führt. Die Leber kann nicht mehr so viele Abfallstoffe entgiften, wie es notwendig wäre. In dem Moment fängt der Körper an, seine Einlagerungsmechanismen zu nutzen, und lagert fettlösliche Abfallstoffe zunehmend im Fettgewebe bzw. wasserlösliche Abfallstoffe zunehmend im Bindegewebe ein. Werden diese mobilisiert – durch Lymphdränage oder Reduktionsdiät, dann ist das fatal für den Körper, weil die Leber die dadurch freiwerdenden Abfallstoffe nicht ausreichend entgiften kann, sodass sie ausgeschieden werden könnten. Sie zirkulieren im System und sorgen für eine unterschwellige Vergiftung.
Neben den Einlagerungsmechanismen besteht die Möglichkeit, einen Teil der Abfallstoffe statt an die Konjugatmoleküle alternativ an Spurenelemente zu koppeln. Auf diese Weise kann zumindest ein Teil der Abfallstoffe noch ausscheidbar gemacht werden. Zu den verwendeten Spurenelementen gehören zweiwertige Ionen, vor allem Mangan, Zink und Selen und vermutlich auch Schwefel. Betroffene Pferde fallen häufig durch niedrige Zink- und Selenwerte im Blutbild auf, die sich durch kurweise Zufütterung zwar kurzfristig relativieren lassen, aber nach Absetzen der Zusatzfuttermittel immer wieder auftreten. Hier ist nicht die Versorgung zu gering, sondern der Verbrauch!
Ist die Biotransformation gestört, kann ich das Pferd nicht entgiften!
Pferde mit gestörter Biotransformation – auch als KPUler oder KPU-Pferde bezeichnet – zeigen mit der Zeit Anzeichen dafür, dass die Entgiftung nicht normal abläuft. Dabei ist die KPU keine Krankheit, sondern lediglich eine Störung der Biotransformation. Die verschiedenen Folgen aus dieser Störung führen dann zu den sichtbaren Erkrankungen. Dazu gehören die Frühmarker für Stoffwechselprobleme ebenso wie verschiedene manifeste Stoffwechselerkrankungen wie Pseudo-EMS, Pseudo-Cushing, Sommerekzem, Hufrehe und viele mehr. Es ist ja grundsätzlich richtig, solche Pferde in der Entgiftung zu unterstützen. Aber man muss wissen, an welchen Stellen man hier ansetzt. Sehr beliebt ist beispielsweise die Gabe von Mariendistel, die als klassische leberunterstützende Pflanze gilt. Das stimmt auch beim gesunden Pferd, das einfach nur zusätzlichen Belastungen, zum Beispiel durch schlechte Futterhygiene, ausgesetzt ist. Hier ist die Gabe von Mariendistel durchaus angebracht, denn sie fördert die Biotransformation. Allerdings scheint sie vor allem Phase 1 zu fördern, die bei entgiftungsgestörten Pferden ohnehin abläuft. Beim gesunden Pferd schließt hier automatisch die Phase 2 an, damit entgiftet die Leber deutlich mehr als ohne die Gabe von Mariendistel. Ist das Pferd aber in der Entgiftung gestört, dann kann ja die Phase 2 nicht ablaufen. Da als Zwischenprodukt der Biotransformation Moleküle entstehen, die so nicht ausscheidbar sind – und manchmal sogar noch giftiger sind als ihre Ausgangsprodukte! –, kann man ein solches Pferd mit einer gut gemeinten Mariendistelkur regelrecht vergiften.
Bevor man also „Ausleitungskuren“ ansetzt, muss man sicherstellen, ob die Biotransformation normal abläuft oder ob das Pferd hier bereits Störungen aufweist. Leider gibt es da keinen direkten Test. Man kann nur einen indirekten Nachweis über ein großes Blutbild und einen Urintest (KPU-Test) machen. Im großen Blutbild sind dann neben auffällig niedrigen Selen- und Zinkwerten häufig noch andere Werte außerhalb ihrer Grenzwerte – je nachdem, wo sich die Probleme beim jeweiligen Pferd niederschlagen, können unterschiedliche Werte betroffen sein. Der Urintest wird von spezialisierten Laboren durchgeführt, hier wird der Indikan-Wert und der Kryptopyrrol-Wert bestimmt. Der Indikan-Wert ist auffällig, wenn der Fermentationsprozess im Dickdarm gestört ist (Dysbiose), was ja in aller Regel der Ausgangspunkt für eine gestörte Biotransformation ist. Kryptopyrrol ist ein Abbauprodukt aus dem Eiweißstoffwechsel und wird in der Regel dann auffällig, wenn die Biotransformation bereits über längere Zeit gestört ist. All dies sind Hinweise darauf, dass die Leber des betroffenen Pferdes nicht adäquat entgiften kann. Hier sollte man dann auch als Erstes ansetzen, bevor man andere Prozesse aktiviert. Denn bringt man die Leber wieder in den Zustand, dass sie normal entgiften kann, so wird langfristig auch der Rest des Stoffwechsels in den Normalbereich zurückgeführt: Einlagerungen werden ausgelagert und entsorgt, der Spurenelementehaushalt normalisiert sich und damit auch der größte Teil der sichtbaren Symptome.
Phytotherapeutische Unterstützung der Entgiftung
Hat man sichergestellt, dass die Biotransformation normal arbeitet, so kann die Entgiftungsfunktion der Leber auch auf verschiedenen Ebenen unterstützt werden. Dazu gehören unter den pflanzlichen Präparaten alle Distelarten, insbesondere Mariendistel und Artischocke. Beobachtet man aber Pferde auf der Weide, dann kann man beobachten, dass häufig die Pferde mit Frühmarkern für Leberprobleme besonders gern die verschiedensten Distelarten fressen. Leberunterstützend sind aber auch alle Pflanzen mit einem hohen Anteil an Bitter- oder Gerbstoffen wie Schafgarbe, Löwenzahn oder – in Maßen gegeben – auch Eichenrinde und Walnusslaub. Sie regen den Gallenfluss an und dieser ist einer der Entsorgungswege der Leber. Je besser die Galle abfließen kann und je mehr Galle produziert wird, desto besser kann die Leber Giftstoffe auch auf diesem Weg entsorgen. Außerdem sorgt die Gallenflüssigkeit nebenbei für eine verbesserte Verdauung und damit Stabilisierung des Gesamtorganismus. Lässt man Pferden die Auswahl, so fressen sie Pflanzen mit hohem Bitterstoffanteil erstaunlich gern – sofern sie nicht zuckersüchtig sind, was leider bei sehr vielen mit Fertigfuttermitteln gefütterten Pferden der Fall ist. Also keine Panik bekommen, wenn ein Pferd beim Spazierengehen mal ein paar Eicheln frisst oder Blätter vom Walnussbaum pflückt. Im Übermaß aufgenommen sind solche Pflanzen teilweise giftig, aber in Maßen gefressen aufgrund ihrer Bitter- und Gerbstoffe wichtige Arzneimittel für Leber und Darm.
Regt man die Leber an, vermehrt Biotransformation zu betreiben, so muss auch immer der Abtransport der Abfallstoffe und deren Ausscheidung gewährleistet sein. Über die Gabe von Bitterstoffen wird der Gallenfluss angeregt, sodass dieser Entsorgungsweg gut arbeitet. Die zweite wichtige Entsorgungsstation ist das Harnwegsystem mit den Nieren als Filterorganen. Während die Blase nur der Aufbewahrung des Harns bis zur Ausscheidung dient und Harnleiter und Harnröhre reine Leitungssysteme für den Harntransport darstellen, sind die Nieren essenziell, damit überhaupt Harn gebildet werden kann. Die Bildung des Harns erfolgt ständig und ist ein hochkomplexer Prozess, um aus dem zunächst entstehenden Primärharn dann den Urin zu bilden, den das Pferd ausscheidet. Dabei filtern die Nieren wichtige Nährstoffe zurück in den Blutstrom, damit diese nicht verloren gehen. Umgekehrt werden Abfallstoffe passiv oder aktiv dem Harn zugesetzt, um ausgeschieden zu werden.
Jeder, der schon mal Brennnesseltee getrunken hat, weiß um die „harntreibende“ Wirkung. Es gibt viele Pflanzen, die dafür sorgen, dass die Nieren vermehrt Harn produzieren und ihn nicht so stark aufkonzentrieren. Dazu gehören neben der Brennnessel auch Birkenblätter, Goldrute, Brombeerblätter, Ehrenpreis, Quecke, Ackerschachtelhalm, Hauhechel, Petersilie, Wacholder sowie viele andere mehr. Diese Pflanzen sind in der Regel auch in „entschlackend“ wirkenden Kräutermischungen enthalten, die in Entgiftungskuren Anwendung finden. Ähnlich wie bei leberunterstützenden Pflanzenpräparaten ist aber auch hier wichtig, dass man um die Wirkung und um die möglicherweise bestehenden Vorerkrankungen des Pferdes weiß. Leidet es beispielsweise bereits unter einer Polyurie, die unter anderem auch im Zusammenhang mit einer Insulinresistenz auftreten kann, oder hat das Pferd chronisch Durchfälle oder Kotwasser, die den Elektrolythaushalt bereits nachhaltig gestört haben, so sollte man von einer solchen „harntreibenden“ Therapie unbedingt absehen. Es kann sonst zu einem weiter erhöhten Elektrolytverlust und damit massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen.
„Sanfte“ Kräuterpflanzen enthalten pharmakologische Wirkstoffe
Denn bei aller Begeisterung für Kräuterfütterung als „sanfte“ Medizin aus der Natur sollte man nie vergessen, dass alle Kräuterpflanzen handfeste pharmakologische Wirkstoffe enthalten. Keine Wirkung ohne Nebenwirkung! Zwar sind Nebenwirkungen bei der Gabe von Kräutern in der Regel schwächer ausgeprägt, als wenn ein Pferd auf ein Medikament mit Nebenwirkungen reagiert, da die in Pflanzen enthaltene reiche Anzahl sekundärer Pflanzenstoffe meist die Folgen abmildern und der Wirkstoff üblicherweise auch schwächer dosiert angeboten wird. Je nach Vorerkrankung ist es aber immer möglich, eine Stoffwechselschieflage durch phytotherapeutischen Eingriff noch zu verstärken oder neue Symptome damit zu provozieren. Dazu gilt, dass man Kräuter nie zu lange am Stück geben sollte. Als Faustregel gilt eine Gabe von 4–6 Wochen, dann sollte auf eine andere Mischung gewechselt werden, um einen Gewöhnungseffekt zu vermeiden. Für einzelne Pflanzen können aber abweichende Zeiträume gelten, daher sollte man sich vor der Gabe darüber informieren. Mischungen von Kräutern entsprechen dabei eher dem natürlichen Fressverhalten des Pferdes als die Gabe von Einzelkräutern. Je nach therapeutischer Indikation kann aber durchaus auch mal die Gabe von einzelnen, dann meist sehr stark konzentrierten Kräutern gegeben sein.
Sammelt man die Kräuter in der Natur, sollte man außerdem über entsprechende botanische Kenntnisse verfügen. Jedes Frühjahr landen Menschen mit Vergiftung in Hospitälern, weil sie Maiglöckchenblätter statt Bärlauch für ihren Salat gesammelt haben! Während man eine Brennnessel auch als Laie noch relativ zuverlässig erkennen kann, sieht das beim Schachtelhalm schon schwieriger aus. Wer hier keine Fachkenntnisse hat, verwechselt den Nieren unterstützenden Ackerschachtelhalm schnell mit dem giftigen Sumpfschachtelhalm – mit fatalen Folgen. Denn viele Pflanzen behalten auch im getrockneten Zustand ihre giftige Wirkung, sind aber für die Pferde geschmacklich dann oft nicht mehr als solche zu erkennen.
Darüber hinaus weiß man mittlerweile von einigen althergebrachten Heilpflanzen, dass diese – langfristig gegeben – durchaus auch schädliche Wirkung haben. So ist der Huflattich früher ein probates Mittel bei Husten gewesen. Heute ist er mit gutem Grund apothekenpflichtig, da er dieselben Alkaloide enthält wie das bekanntermaßen giftige Jakobskreuzkraut. Nur dass bei beiden die Giftwirkung eben nicht sofort einsetzt, sondern zeitverzögert durch den Akkumulationseffekt. Auch entfalten nicht alle Pflanzen ihre Wirkung, wenn sie in getrocknetem Zustand gefressen werden. So hat Rosmarin seine blutzuckersenkende Wirkung nur in frischem Zustand. Süßholzwurzel hingegen muss lange ausgekocht werden, bis der entzündungshemmende Wirkstoff frei wird; die Fütterung der getrockneten Wurzel bringt fast gar nichts. Kocht man dagegen Malve, dann wird ihr entzündungshemmender Wirkstoff zerstört, der sich sehr gut bei Verletzungen im Maulschleimhautbereich bewährt hat. Von der Malve muss ein Kaltauszug gemacht werden.
Botanische Hintergründe, Wissen um die richtige Zubereitungsform und auch die Kenntnisse um die Wirkung beim Pferd – die sich manchmal von der beim Menschen unterscheiden kann – sind also wichtig, um Phytotherapeutika richtig einzusetzen. Ist das gegeben und passen die Kräuter auch zur Anamnese des Pferdes, dann sind sie eine hervorragende Möglichkeit, den Stoffwechsel auf natürliche Weise wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Eine genaue Anamnese und sorgfältige Auswahl der Therapie sollte aber unbedingt immer erfolgen, bevor man eventuell mit einer gut gemeinten, aber leider falsch zusammengestellten Ausleitungskur mehr Schaden anrichtet, als Gutes zu tun.
Homöopathische Entgiftung
Der Einsatz feinstofflicher Mittel, zu denen Homöopathika ebenso gehören wie Schüsslersalze, Bachblüten, Spagyrik und viele andere, erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Insbesondere weil man – im Gegensatz zur Phytotherapie – nicht mit pharmakologischen Wirkstoffen arbeitet, sondern ausschließlich mit energetischen Schwingungen.
Die Homöopathie wurde ursprünglich von Hahnemann entwickelt und beruht auf dem Simile-Prinzip: Das Mittel soll – homöopathisch aufpotenziert, sodass nur noch Information, aber kein Wirkstoff mehr vorhanden ist – genau die Symptome lindern, die die Reinsubstanz verursacht. Auf den Arzneimittelstudien Hahnemanns, seiner Schüler und vieler nachfolgender Generationen von Pionieren der Homöopathie basiert unser heutiges Wissen um die Wirkung der einzelnen Mittel. Dazu ist Homöopathie in ihrer klassischen Form immer eine Individualmedizin. Hier sind Kopfschmerzen nicht gleich Kopfschmerzen, für die es eine Standardschmerzpille gibt. Sie werden hingegen aufs Feinste unterschieden, je nachdem, ob sie eher drückend, stechend oder bohrend sind, eher morgens oder abends auftreten und welche Faktoren sie verstärken oder abschwächen. Je nachdem wird das dazu passende Mittel ausgewählt.
Erstverschlimmung bei Homöopathika möglich
Das macht die Homöopathie für den Laien sehr schwer anwendbar. Denn aus den über 20 Mitteln, die bei „Leberschwäche“ grundsätzlich eingesetzt werden können, muss das passende für diesen Patienten in genau dieser Situation ausgewählt werden. Da einem das Pferd noch dazu nicht genau Auskunft darüber geben kann, wie es sich genau anfühlt und welche Modalitäten die Symptome verschlimmern oder verbessern, ist sehr viel Erfahrung notwendig, um das richtige Mittel zu finden. Hat man dann das richtige Mittel, muss als Nächstes die Potenz bestimmt werden, also wie stark die jeweilige Ausgangssubstanz verdünnt wurde. Die Potenz hat direkte Auswirkungen auf die Anwendung. So gilt bei den meisten Mitteln, dass niedrige Potenzen eher auf der körperlichen Ebene wirken, höhere hingegen eher auf der geistigen.
Hat man sich für ein homöopathisches Mittel zur Unterstützung der Leber- oder Nierenfunktion entschieden und auch die Potenz dafür bestimmt, so muss diese Information jetzt in den Körper gelangen. Das geschieht in der Regel, indem die Globuli – Zuckerkügelchen, die mit der Information des Mittels besprüht wurden – verfüttert werden. Die Menge der Globuli spielt dabei keine Rolle, da es im Wesentlichen darum geht, die Schwingung in den Körper zu bekommen. Sie ist dieselbe, ob man ein oder zehn Kügelchen füttert. Hat man bei dem Mittel komplett danebengegriffen, passiert in aller Regel einfach nichts. Der Körper reagiert nicht auf die angebotene Schwingung, weil er dafür überhaupt keine Resonanzgrundlage hat. Hat man exakt das richtige Mittel und genau die richtige Potenz bestimmt, so kann man teilweise eine verblüffende und rasante Verbesserung des Krankheitszustands beobachten. Problematisch sind die Fälle, bei denen man in der Wahl des Mittels oder der Potenz knapp danebengegriffen hat. Hier kann es zur Auslösung von sogenannten „Erstverschlimmerungen“ kommen – also einer vorübergehenden massiven Verstärkung der Symptome. Hat das Pferd „nur“ Mauke als Symptom, dann mag so eine Erstverschlimmerung noch relativ harmlos vonstattengehen. Hat man aber mit Pferden zu tun, die ohnehin schon stoffwechselbedingt Hufrehe oder COPD haben oder gar zu Koliken oder ähnlich lebensbedrohlichen Erkrankungen neigen, dann kann eine Erstverschlimmerung dramatische Folgen haben.
Einfacher machen es einem die sogenannten Komplexmittel – Mischungen verschiedener homöopathischer Mittel, die man eher als „Standardmedikation“ einsetzen kann. Auch wenn sie von klassischen Homöopathen vehement abgelehnt werden, so finden sie in der Therapie doch immer häufiger Anwendung. Ihre Anwendung ist in der Regel auch für Laien der Homöopathie deutlich einfacher.
Da aber auch die Homöopathie – wie man sieht – ihre Tücken hat, sollte bei der Entgiftung mit Homöopathika, ebenso wie Schüsslersalzen, spagyrischen Mitteln oder anderen Substanzen der „Informationsmedizin“ unbedingt eine gründliche Anamnese durch eine fachkundige Person durchgeführt werden. Die Folgen können sonst – genauso wie bei Phytotherapeutika – ungeahnte Ausmaße annehmen.
Vor jeder Entgiftungskur – Symptome abklären
Sein Pferd in besonders stoffwechselbelastenden Zeiten wie Fellwechsel oder bei notwendigen Medikamentengaben sowie in Stressphasen, wie zum Beispiel Stallwechsel, zu unterstützen, ist auf jeden Fall eine gute Sache. Bevor man aber begeistert einen Großeinkauf Kräutertüten oder Homöopathika startet, sollte man zunächst eine saubere Aufnahme des Istzustands machen:
- Hat das Pferd schon Symptome, die auf Stoffwechselerkrankungen hinweisen? Wenn ja: Welche, wie lange bestehen sie schon und wie schwerwiegend sind sie?
- Zeigt das Pferd Frühmarker für Leber- oder Nierenprobleme? Wenn ja: wie lange schon? Und wie viele?
- Hat das Pferd in seiner Vorgeschichte bereits mit Stoffwechselproblemen reagiert, zum Beispiel auf therapeutische Maßnahmen oder in Stresssituationen?
- Auch die Fütterungs- und Haltungsvorgeschichte sollte genau angeschaut werden, denn hier liegen ja, wie oben erläutert, häufig die Ursachen für eine nicht ausreichende oder manifest gestörte Entgiftung.
- Ein Blutbild sowie – bei Verdacht auf eine gestörte Entgiftung – auch ein Urintest auf Indikan und Kryptopyrrol sollten unbedingt analysiert werden, um eventuell symptomatisch noch nicht sichtbare, aber bereits vorhandene Stoffwechselentgleisungen zu sehen.
Der erste Schritt sollte immer das Abstellen der ursächlichen und auslösenden Faktoren sein. Stress durch Haltungsmanagement sollte dabei ebenso betrachtet werden wie die Futterhygiene und die Zusammensetzung aller Futtermittel. Auch Medikamentengaben sollten kritisch unter die Lupe genommen werden, ebenso wie der Zugang zu Giftpflanzen – im Heu oder auf der Weide. Alle unnötigen Zusatzbelastungen sollten zunächst abgestellt werden, um „das Fass nicht weiter zu füllen“. Eine artgerechte Basisfütterung aus Heu ad libitum (bis zur Sättigung, alternativ 2–3 kg/100 kg Körpergewicht), Mineralfutter, Salzleckstein und Wasser sollten zusätzliche Belastungen, die eventuell aus Futtermittelbestandteilen resultieren, ausschließen.
Durch eine solche Fütterung kann sich auch der Darm beruhigen, der bei entgiftungsschwachen Pferden sehr häufig Dysbiosen – also Fehlgärungen – aufweist. Unterstützende Maßnahmen aus Phytotherapie oder Homöopathie zur Wiederherstellung der Darmbalance sind natürlich möglich und sollten – je nach Fall – auch eingesetzt werden. Von der Fütterung von „Probiotika“ sollte allerdings abgesehen werden, da sie in der Regel auf Basis von Milchsäurebakterien oder Bierhefen sind – die beide nichts im Darm des Pferdes verloren haben. Man kann und sollte vielmehr durch entsprechendes Fütterungs- und Haltungsmanagement sowie durch gezielte therapeutische Maßnahmen dafür sorgen, dass die natürliche Darmflora sich wieder regeneriert. Mit diesem Ansatz sinkt dann auch die Belastung mit zusätzlichen Abfallstoffen wie zum Beispiel Milchsäure, die aus den Fehlgärungen resultieren und ansonsten vom Pferd aufgenommen und entsorgt werden müssen.
Leber und Nieren gemeinsam stärken
Ist dieser Schritt geschafft und kann eine gestörte Biotransformation im Sinne einer Kryptopyrrolurie (KPU) ausgeschlossen werden, ebenso wie eine Funktionsstörung der Niere oder des Elektrolythaushalts, dann kann phytotherapeutisch und/oder homöopathisch die Entgiftung unterstützt werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass immer sowohl Leber als auch Nieren angeregt werden. Was die Leber entgiftet, muss anschließend von den Nieren auch ausgeschieden werden. Regt man also nur die Leber an, kann es passieren, dass die biotransformierten Abfallstoffe erneut im Gewebe eingelagert werden, weil sie gar nicht in ausreichender Menge entsorgt werden können. Regt man umgekehrt nur die Nierenfunktion an, ist an Entgiftung nicht viel gewonnen, denn die Nieren können nur ausscheiden, was die Leber vorher umgewandelt hat.
Eine Ausnahme stellt die Gabe von Spirulina dar. Diese Süßwasseralge ist reich an Chlorophyll und Phytocyan, die aufgenommen werden und offenbar in der Lage sind, Giftstoffe, insbesondere auch Schwermetalle, abzubinden. Die gebildeten Komplexe sollen dann vornehmlich über den Gallengang ausgeschieden werden. Spirulina Alge eignet sich daher besonders bei Pferden mit Nierenproblemen. Allerdings hat sie auch einen hohen Proteinanteil, was wiederum bei Proteinüberladung zu einer zusätzlichen Belastung der Nieren mit Harnstoff führen kann. Vor der Gabe sollte daher der Eiweißgehalt des gesamten Futters überprüft werden.
Vorsicht ist immer angeraten bei allen Futtermitteln und Therapeutika, die auf der Wirkung der Mariendistel (Silymarin) basieren. Sie dürfen nur eingesetzt werden, wenn eine Störung der Biotransformation im Sinn einer KPU absolut ausgeschlossen werden kann. In solchen Fällen sollten insgesamt Distelpflanzen nur mit Vorsicht eingesetzt werden. Hier bietet sich die Unterstützung der Leber durch Bitterkräuter an, da diese nicht unmittelbar in die Biotransformation eingreifen. Ist die Entgiftung der Leber gestört, so muss diese zuerst therapiert werden, bevor man mit entgiftenden oder ausleitenden Maßnahmen arbeiten kann. Ansonsten läuft man Gefahr, dass der Körper zunehmend Spurenelemente verliert, insbesondere Zink und Schwefel, was erhebliche Auswirkungen nicht nur auf Haut, Haar und Hufe hat, sondern auch auf den ganzen Stoffwechsel – denn Zink wird an über 300 verschiedenen Reaktionen im Körper als Kofaktor benötigt.
Dr. Christina Fritz
Sie studierte Biologie mit anschließender Promotion. Nach vielen Aus- und Weiterbildungen im alternativtherapeutischen Bereich führt sie seit über zehn Jahren eine Praxis für integrierte Pferdetherapie. Darüber hinaus hält sie Vorträge und Fortbildungen über artgerechte Pferdefütterung und -haltung. Sie hat folgende Bücher geschrieben: Kinesiologie beim Pferd, Touch for Health am Pferd, Pferde fit füttern. Im Februar 2016 erschien das Buch „Zivilisationskrankheiten beim Pferd“, das sie mit dem Tierarzt Souel Maleh geschrieben hat.