Harrys Welt
Über Reitlehrer und Pferdeausbildung
Sehr persönliche Anschauungen von Harry, dem Verlagshaflinger
Als ich vor vielen Jahren meinen Menschen getroffen habe, war er voller guter Vorsätze bei miserablen Reitkenntnissen. Aber ich war nach meiner Reitschulära froh, einen Menschen konstant an meiner Seite zu haben und den Reitschulbetrieb hinter mich zu lassen. Ich war neugierig, was mein neuer Lebensabschnitt bringen würde, war aber auch sehr misstrauisch.
Ich lebte nun auf einer schönen Reitanlage, und was passierte? Reitunterricht! Zwei bis drei Mal die Woche kam Angelika, eine resolute Reitlehrerin nach altem FN-Vorbild mit einer schrecklich schrillen Stimme, die mich und meinen Menschen in der Halle traktierte. Dass sie ihm einen ordentlichen Sitz beibrachte, habe ich ja verstanden, aber dass sie auch an mir rumnörgelte, war schwer zu ertragen. Also lief ich grimmig Runde für Runde und dachte: „Immer noch besser als Reitschule.“ Aber ich hatte andere Vorstellungen von einem glücklichen Pferdeleben und stellte mich so dumm an wie es nur ging.
Leider war mein Mensch noch von einem gewissen Ehrgeiz getragen. Er ritt mich täglich in der Halle oder auf dem Reitplatz und wir machten viele gymnastische Übungen, aber immerhin: Nach der Übungsstunde sind wir immer um ein großes, angrenzendes Feld geritten, und da konnte ich mich vom Stress erholen. Die Reitlehrerin habe ich dann nicht mehr gesehen
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Mein Mensch sagt: „Ich habe ein Jahr gebraucht, um mich an mein Pferd zu gewöhnen und es zu verstehen.“ Ich, der Haflinger, sage: „Ich habe ein Jahr gebraucht, um meinen Menschen so zu erziehen, dass ich ein auskömmliches Pferdeleben leben kann.“
Glücklicherweise ist mein Mensch Pferdebuchverleger und liest deshalb viele Pferdebücher und Manuskripte. Er lernte viel und konnte davon profitieren. Wir verlegten unsere Ausbildung nach draußen. Er versuchte, mich zu longieren. Wenn ich etwas hasse, dann im Kreis rumlaufen. Ich blieb einfach stehen oder lief in die Mitte, um ihm zu sagen, wie blöd ich das finde, und wenn er mich zurückschickte, dann schlug ich nach ihm aus.
Nachdem wir diese Frage abschließend geklärt hatten, haben wir unsere Ausbildung auf den Reitplatz und ins Gelände verlegt und ich versuchte, Freude daran zu haben. Wir konnten über kleine Cavaletti springen, ich konnte mich rückwärts durch Stangen schlängeln, Schlangenlinien laufen. Einmal hatte sich mein Mensch Videos von Bent Branderup angeschaut. Danach hatte er viele schöne Bilder im Kopf, die er auf mich übertrug. Es machte mir Spaß, das „Barockpferd“ zu spielen. Manchmal kam eine angenehme Reitlehrerin, brachte mir die Piaffe bei und lobte mich immer sehr nett. Da entwickelte ich als Haflinger sogar Ehrgeiz.
Unsere weitere Ausbildung haben wir im Wald und auf Feldwegen absolviert. Es gab einen Weg, der mit Baumwurzeln übersät war. Anfangs ritten wir Schritt darüber hinweg und jeden Tag ein wenig schneller. Ich lernte, meine Beine sehr gut zu koordinieren. Wir hatten beide viel Freude und meine Muskulatur wuchs und wuchs.
Mein Mensch hatte schnell begriffen, dass zu großer Ehrgeiz Gift für unsere Beziehung war. Ich versuchte, ihm etwas zurückzugeben, indem ich gelehrig war, auch mal was tat, was mir nicht so viel Spaß machte, nur um ihm eine Freude zu bereiten.